Faithful! Festival Treue und Verrat der musikalischen Interpretation

5. Oktober 2012 in Berlin

faithful! möchte den Interpretationsbegriff neu befragen und Interpretation als Kategorie des Sprechens über Musik rehabilitieren. Im Mittelpunkt steht unter anderem der Interpretationsvergleich, indem verschiedene Ensembles und Solisten dasselbe Werk aufführen und Situationen, in denen der Begriff der musikalischen Interpretation greifbar wird.
Unter den Interpreten finden sich einerseits Ensembles und Musiker, die sich dem Neuen und dem Experiment verschrieben haben, andererseits solche Interpreten, die eine Tradition bewusst fortführen und bestenfalls behutsam erneuern. Renommierte Solisten, Orchestermusiker und waghalsige Experimentatoren stehen sich gegenüber, um die möglichen Facetten der musikalischen Interpretation zu veranschaulichen.

18.00 Musikalische Grafik, Berghain

Cathy Milliken - Oboe & Einstudierung
Shabaka Hutchings & Kai Fagaschinksi - Klarinette
Clare Cooper - Harfe
David Haller - Schlagzeug
Garth Knox & Jessica Rona - Viola
Anton Lukoszevieze - Violoncello

Die Radikalität, mit der Earle Brown zwischen 1952 und 1954 die Voraussetzungen, unter denen Musik entsteht, infrage stellte, lässt sich heute nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen. Die Möglichkeiten, die die grafische Notation eröffnete, betrifft nicht nur die Erscheinungsform des Werkes und die Tatsache, dass das Klangergebnis nicht mehr eindeutig festgelegt wird, sondern die Variabilität der Erscheinung maximiert wird. Ganz wesentlich ändert sich mit Browns grafischem Werk der frühen Fünfzigerjahre auch die Rolle des Interpreten und der Stellenwert der Interpretation im Schaffensprozess. Gleichzeitig darf man die Nähe zur bildenden Kunst und vor allem die Bedeutung der Mobiles von Alexander Caulder nicht unterschlagen. Ohne diese Anregungen wären diese Grafiken nicht denkbar.

19.00 Podiumsdiskussion Berghain
Diedrich Diederichsen, Bernhard Lang, Jörg Königsdorf & Lothar Zagrosek
Moderation - Lydia Jeschke

Im Rahmen eines Podiums sollen zentrale Fragen der musikalischen Interpretation diskutiert werden. Warum braucht das Musikleben einen neuen Haydn-Zyklus? Warum müssen Partituren immer wieder aufs Neue belebt und gelebt werden? Führt die Arbeitsteilung zwischen Komponist und Interpret nicht zu einer Entfremdung des Arbeitsprozesses? Was ist musikalische Authentizität, und darf ein Musiker auf der Bühne fühlen, was er spielt? Es diskutieren Interpreten, Dramaturgen, Komponisten und Poptheoretiker, um jeder Frage die ihr gebührende Weite zu verleihen.

21.00 Re-Work 1, Berghain
Kerry Yong - Keyboards

Der englische Pianist Kerry Yong überträgt Werke der Avantgarde auf elektroakustische Instrumente. Dabei hebt er Klangmerkmale der Originale hervor und verändert ihre klangliche Erscheinung. Giacinto Seclsi schrieb Aitsi für Klavier und Verzerrer. Yong reimaginiert das Werk auf einem Achtzigerjahre-Casio-Keyboard und nutzt zudem Gitarrenverzerrer, sodass der scelsische Duktus Klangerkundung erhalten bleibt, während das Sounddesign in eine ganz andere Richtung weist. Steve Reichs Piano Phase aus dem Jahre 1967 sieht zwei Klaviere vor, die dasselbe Material in leicht voneinander abweichenden Tempi spielen, sodass sich Phasenverschiebungen ergeben. Bei Yong wird der zweite Spieler durch ein Delay-Gerät ersetzt, das auf dem Casio gespielten Originale zeitverzögert wiedergibt. Dadurch entstehen, so Yong, "wild und unvorhersehbare Untertöne und Fehlergeräusche". Die Werke für präpariertes Klavier von John Cage werden von Yong auf das Low-Fidelity-Instrument MIDI-Keyboard übertragen und mit anderen als ursprünglich vorgesehenen Klängen programmiert. Statt der präparierten Seite erklingen Samples, die in einem offenen, mehrdeutigen Verhältnis zum cageschen Originalklang stehen.

22.00 The Vegetable Orchestra, Berghain
The Vegetable Orchestra

Was geht im Rahmen einer Übertragung verloren? Was bleibt erhalten? Das Wiener Gemüseorchester macht die Probe aufs Exempel. Indem sie Werke der neuen Musik, der experimentellen Musik, aber auch Pop- und Filmmusikklassiker auf ihr Gemüse-Instrumentarium übertragen, wird der Struktursinn der gespielten Werke neu befragt. Die Anmutung, die mit einer Violine oder einer Klarinette einhergehen, ist Teil der Aura eines klassischen Konzerts. Wo stattdessen Flöten aus Mohrrüben und Posaunen aus Paprika gespielt werden, geben die Werke ihren sozialen Kontext preis. Es geht nicht mehr darum, besonders gediegen oder technisch versiert daher zu kommen, sondern um den originellen, kreativen Umgang mit dem Klang.Eigens für dieses Konzert hat sich das Gemüseorchester mit den Werken der Zweiten Wiener Schule befasst, mit der Idee der Kammersinfonie und mit der Reihentechnik, womit sie ihrem Programm einen Drall ins "Seriöse" verleihen.

23.00 DJ-Culture Berghain
DJ Olive & DJ Hashimoto

Seit 1995 arbeitet der DJ Olive mit so genannten Vinyl-Partituren. Olive produziert und schneidet "Klangpaletten" auf Vinyl, um dann live mit diesen Materialbausteinen am Plattenspieler zu arbeiten. Auch andere Turntablisten können mit diesen Vinyl-Partituren auftreten und ganz eigene Zugänge zu Olives Material zu finden. Aufgrund der "minimalistischen Dichte" (Olive) der Klangmaterialien lassen sie sich besonders gut zueinander in Zusammenhang setzen und miteinander mischen. DJ Hashimoto entfesselt am Plattenspieler das Zügellose. Mit einem Hang zu Nekrophilia und dem Klangvokabular des Horrors verfremdet er das Material Schallplatte mit ungewöhnlichen DJ-Techniken und Effektgeräten.

Einzeltickets: 17EUR/ erm. 14EUR

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Berghain
Am Wriezener Bahnhof
10243 Berlin
Wann ist das Event?
Freitag, 5. Oktober 2012
18:00 Uhr
Seit 4245 Tagen vorbei!

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