Der ungesungene Claudius

Neue Lieder, Verse und Gedanken von Matthias Claudiusmit Jan Vering (Gesang/Rez.

Wer hat Matthias Claudius eingesperrt ins Kästchen „Frommes Biedermeier“? Und warum nur? In einer Zeit, in der Kopf und Vernunft zählten, appellierte Claudius an Herz und Gefühl. Er schrieb oft mit scheinbarer Naivität. Dieser Kunstgriff machte ihn zu Lebzeiten enorm populär, trug aber gleichzeitig zu seiner posthumen Verkennung bei. Ein Beispiel für diesen speziellen Ton ist sein Text gegen die Hetzjagd, eine harte Kritik am Adel. Claudius ließ einen Hirschen
folgenden Brief schreiben: „Ich habe heute die Gnade gehabt, von Euer Hochfürstlichen Durchlaucht parforcegejagt zu werden, bitte aber untertänigst, dass Sie gnädigst geruhen, mich künftig damit zu verschonen. Euer Hochfürstliche Durchlaucht sollte nur einmal parforcegejagt sein, so würden Sie meine Bitte nicht unbillig finden. Ich liege hier und mag meinen Kopf nicht aufheben; und das Blut läuft mir aus Mund und Nüstern. Wie können Ihr Durchlaucht es doch übers Herz bringen, ein armes, unschuldiges Tier, das sich von Gras und Kräutern nährt, zu Tode zu jagen.“ Seine Kritik allerdings konnte er auch wesentlich knapper formulieren. Der Claudius- Vers „Der König sei der bess’re Mann,
sonst sei der Bess’re König“ wurde zur Zeit der Französischen Revolution im gesamten deutschsprachigen Raum sprichwörtlich. Jan Vering hat seit Jahren Texte aus allen Winkeln des Claudius’schen Kosmos gesammelt: Vierzeiler für Kinder, Kuriositäten, Glaubenszeugnisse, Wiegenlieder, Kabarettistisches. Auch Aktuelles wie das berühmte „‘s ist Krieg“ und Unbekanntes wie das Gedicht auf einen Selbstmörder, Gereimtes und Ungereimtes. Diese literarischen Entdeckungen vertonte der Komponist Siegfried Fietz („Von guten Mächten wunderbar geborgen“). Es entstanden 20 neue Titel, Liebeslieder, große geistliche Songs, pfiffige Spottgesänge, zarte Meditationen, kleine Kinderlieder, besinnliche Betrachtungen ... So wird „Der ungesungene Claudius“ zur Entdeckungsreise mitten hinein ins Leben eines großen Dichters, der uns viel mehr zu sagen hat als nur „Der Mond ist aufgegangen“.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de